ICHINEN SANZEN

Der gegenseitige Besitz der Zehn Welten

von Yosai Yamada, früherer Oberpriester
am Myohoji-Tempel in Los Angeles

 

TEIL I

In der Satzung der UNESCO heißt es: »Da Kriege im Kopf von Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.« Was den »Weltfrieden« anbelangt, kann man wohl sagen, daß die wichtigste Frage für uns heute lautet, »wie können wir in Frieden leben?« Ein europäischer Philosoph sagte einmal, daß menschliche Wesen das Potential zu einem heiligen, engelgleichen Dasein hätten. Andererseits können sich Menschen häßlicher und furchterregender gebärden als wilde Tiere.

Kein Dasein ist interessanter, rätselhafter, unfaßbarer und komplexer als das menschliche Leben. Der Buddhismus erklärt Leben vollständig durch die Prinzipien des gegenseitigen Besitzes der Zehn Welten. Unsere physische Erscheinung und unser Handeln in dieser Welt wird durch die Konzeption von shiki shin funi, dem Einssein unseres Geistes mit dem Körper, erläutert.

Der gegenwärtige und auch jeglicher künftige Zustand dieser Welt, in der wir leben, wird durch die Konzeption von esho funi, dem Einssein von Mensch und seiner Umgebung erklärt. Oder anders ausgedrückt stimmt die Welt mit unseren Idealen überein, und indem wir gemäß diesen Idealen agieren, schaffen wir die Welt, wie sie ist.

Der gegenseitige Besitz der Zehn Welten erläutert die Wirklichkeit der komplexen und sich verändernden Aspekte unseres Daseins, bei denen es sich um das Resultat des Gesetzes von Ursache und Wirkung handelt. Bei der Erörterung des gegenseitigen Besitzes der Zehn Welten möchte ich untersuchen, wie zu leben ist und Weltfrieden erreicht werden kann.

Seit alters haben Philosophen den Menschen als »Homo sapiens, ›eine denkende Kreatur mit aufrechtem Gang‹« definiert. Der Buddhismus hingegen definiert menschliche Lebewesen als Wesen, die Zehn Welten besitzen. Mit anderen Worten handelt es sich bei den Zehn Welten um Bereiche von Gedanken und Emotion, die durch Veränderungen im eigenen Umfeld beeinflußt werden. Diese Veränderungen spiegeln sich als die verschiedenen Aspekte unserer physischen Erscheinung und unserer Umgebung wider.

In der Gosho Das Wahre Objekt der Verehrung legt Nichiren Daishonin die Zehn Welten in ihren Grundzügen dar. Er sagt:

Wenn wir von Zeit zu Zeit in das Gesicht eines Menschen schauen, sehen wir ihn manchmal friedvoll, manchmal wütend, und manchmal ruhig. Zuweilen erscheint Habgier im Gesicht dieses Menschen, hin und wieder Dummheit, und dann wieder Verderbtheit. Raserei ist die Welt der Hölle, Gier die des Hungers, Torheit die der Animalität, Verderbtheit die des Ärgers, Freude die des Entzückens und Ruhe die des Menschseins. Diese Welten, die sechs Pfade, sind alle in der physischen Erscheinung des Gesichts dieses Menschen gegenwärtig. Die übrigen vier edlen Welten bleiben verborgen und ruhend und treten im Gesicht nicht in Erscheinung, doch bei sorgfältiger Untersuchung können wir sagen, daß sie existieren. (Major Writings, Band 1, S. 52)

Auch sagt er:

Der Tatsache der Vergänglichkeit aller Dinge dieser Welt sind wir uns vollkommen gewahr. Liegt das nicht daran, daß in der Welt des Menschseins die Welten der zwei Fahrzeuge gegenwärtig sind? Selbst ein herzloser Schurke liebt seine Frau und seine Kinder. Auch er hat einen Teil der Bodhisattwa-Welt in sich. Buddhaschaft ist am schwierigsten zu zeigen. Da Du aber alle übrigen neun Welten besitzt, solltest Du glauben, daß Du auch die Buddhaschaft hast. Erlaube Dir nicht, Zweifel zu hegen. (Major Writings, Band 1, S. 52-53)

Wie diese Passagen zeigen, sind die Zehn Welten nichts anderes als verschiedene Aspekte unseres menschlichen Lebens. Laßt uns nun einen näheren Blick auf menschliches Dasein in den Zehn Welten werfen.

Hölle ist die erste Welt.

Hölle bedeutet einen Zustand, in dem man beherrscht wird von dem Drang, sich selbst und alles andere zu zerstören. Raserei dominiert. In diesem Zustand, in dem uns jegliche Freiheit abgeht, machen wir unbeschreibliches, äußerstes Leiden durch.

Die zweite Welt ist Hunger.

Hunger ist ein Zustand, der charakterisiert ist durch unstillbare Gier nach Nahrung, Kleidung, Wohlstand, Vergnügen, Ruhm, Macht und so fort. In diesem Zustand wird der Mensch von unerbittlichem Verlangen gequält und der Unfähigkeit, dieses zu stillen.

Animalität ist die dritte Welt.

Der Zustand der Animalität wird von instinktiven Begierden beherrscht, und man hat kein Gefühl für Vernunft oder sittliche Werte.

Die Shushi Shin Gosho Über den Herrscher, den Lehrer und die Eltern«) beschreibt den Zustand der Animalität wie folgt:

Die Kurzen werden von den Langen verschlungen und die Kleinen von den Großen gefressen. So wird einer dem anderen pausenlos zum Fraß vorgeworfen.

Im Zustand der Animalität fürchtet ein Mensch die Stärkeren, während er die, die schwächer sind, verachtet und in ihnen seine Opfer erblickt.

Da diese drei Zustände von Hölle bis Animalität nicht gerade durch unser Wirken als menschliche Wesen geprägt sind (obwohl wir ja als Menschen geboren sind), werden sie zusammen als die drei üblen Pfade bezeichnet.

Die vierte Welt ist Ärger.

Im Zustand des Ärgers wird der Mensch von einem selbstsüchtigen Ego dominiert. Ein Mensch in diesem Zustand, der unter dem Zwang steht, in allen Dingen anderen überlegen sein zu müssen, verachtet andere Menschen und schätzt nur sich selbst.

Nichiren Daishonins Jippokai Myoiga ShoKausalität in den Zehn Lebenszuständen«) beschreibt dies so:

Im ersten Band der Maka Shikan heißt es: »Derjenige in der Welt des Ärgers, den sein pervertiertes Verlangen umtreibt, besser als alle anderen zu sein, setzt andere immerzu herab, während er sich selbst beständig herausstellt. Er gleicht einem Habicht, der am Himmel seine Kreise zieht und nach Beute Ausschau hält. Mag er auch äußerlich Güte, Gerechtigkeit, Anstand, Weisheit und aufrichtigen Glauben an den Tag legen, ja sich sogar ein Gefühl für elementare sittliche Werte bewahrt haben, verbleibt doch sein Herz im Ärger.«

Doch verglichen mit den drei üblen Pfaden ist im Bereich des Ärgers ein wenig vom Menschsein. Zusammengenommen werden die vier ersten Zustände als die vier üblen Pfade bezeichnet.

Die fünfte Welt ist Menschsein oder Ruhe.

In diesem Zustand vermag man gerecht zu urteilen, sein triebhaftes Begehren durch Vernunft zu zügeln und in Harmonie mit der Umgebung und der Gesellschaft zu agieren.

Die sechste Welt ist Himmel oder Entzücken.

Dieser Zustand bedeutet das Gefühl der Freude, das man bei der Befriedi­gung seiner Begierden empfindet. Jedoch ist die Freude im Zustand des Himmels vorübergehend und schwindet mit dem Verstreichen der Zeit oder bei einer auch nur geringfügigen Veränderung der äußeren Umstände.

Die Zustände von Hölle bis Himmel werden als die sechs Pfade bezeichnet. Die Mehrzahl der Menschen verbringt den größten Teil ihrer Zeit damit, sich innerhalb dieser Zustände hin und her zu bewegen. In diesen sind die eigenen Reaktionen durch Einflüsse von außen bestimmt, und man ist somit äußerst anfällig für äußere Veränderungen.

Lernen ist die siebte Welt.

Lernen ist ein Zustand, in dem man zur Unbeständigkeit aller Dinge erwacht ist und die Instabilität der sechs Pfade versteht und folglich nach einer dauerhaften Wahrheit sucht. Man verfolgt das Ziel der Selbsterneuerung durch die Lehren anderer. Mit Menschen des Lernens waren ursprünglich jene gemeint, die den Buddha die vier edlen Wahrheiten predigen hörten. Um Befreiung von den weltlichen Begierden zu erlangen, praktizierten sie den achtfachen Pfad. Dies ist die Definition, wie sie im Hinayana-Bud­dhis­mus dargelegt wird. Dieser Lebenszustand ist vergleichsweise frei von Habsucht, Ärger, Dummheit, Arroganz und Zweifel, als auch von Voreingenommenheit oder Verderbtheit.

Allgemein gesprochen tritt man in diesen Lebenszustand ein, wenn man auf eigenem Wege einiges an Erleuchtung durch die Beschäftigung mit den Schriften anderer erlangt hat. Jedoch bleibt immer noch – obwohl verborgen – ein gewisser Grad von selbstbezogener oder arroganter Geisteshaltung in diesem Zustand gegenwärtig.

Der Zustand der Erkenntnis ist die achte Welt.

Es handelt sich um einen Zustand, in dem man sich der Unbeständigkeit aller Phänomene gewahr ist und aus den Leiden der sechs Pfade durch die Suche nach einer dauerhaften Wahrheit zu befreien versucht durch eigene Beobachtung und Bemühung. Mit Menschen der Erkenntnis waren ursprünglich jene gemeint, die ein gewisses Maß an Befreiung durch Wahrnehmung der zwölfgliedrigen Kette der Verursachung oder durch die Beobachtung der Ordnung in der Natur erlangten. Mit anderen Worten verstehen sie Ursache und Wirkung als die Natur des Lebens im Universum. Weil es ein Zustand ist, den ein Mensch als Folge seiner Entdeckung der Wahrheit im Universum nach etlicher Überlegung und Anstrengung erreicht, mag die in diesem Zustand verspürte Erfüllung intensiver sein als die in der Welt des Lernens erlangte.

Dies ist die Definition von Lernen und Erkenntnis, wie sie im Hinayana-Buddhismus dargelegt wird.

Sowohl Erkenntnis als auch Lernen erweisen sich oft als Arroganz, weil Menschen in diesen Lebenszuständen dazu neigen, lediglich ihrer eigenen Erkenntnis mit ihrer begrenzten Perspektive verhaftet zu sein. Lernen und Erkenntnis werden als die zwei Fahrzeuge bezeichnet. Der Mangel der zwei Fahrzeuge liegt darin, daß Menschen in diesen Zuständen nur nach ihrer eigenen Errettung streben.

Bodhisattwa ist die neunte Welt.

In diesem Zustand strebt man nicht nur nach Erleuchtung für sich selbst, sondern widmet sich auch barmherzigem Handeln.

Die charakteristischen Merkmale des Bodhisattwa liegen in seiner altruistischen Widmung. Die Gosho Kausalität in den Zehn Lebenszuständen sagt über diesen Lebenszustand:

Jene im Zustand des Bodhisattwa weilen unter den gewöhnlichen Sterblichen und erniedrigen sich selbst, derweil sie die anderen achten. Sie nehmen das Böse auf sich und bedenken andere mit Wohltaten. Dieser Lebenszustand ist durch den großen Wunsch charakterisiert, jenen, die leiden, eine Hilfe zu sein.

Die zehnte und letzte Welt ist die der Buddhaschaft.

Dies ist der höchste Lebenszustand aller Zehn Welten. Es ist ein Zustand vollkommener und absoluter Freiheit, in dem man sich grenzenloser Weisheit und Barmherzigkeit erfreut und von dem Mut und der Kraft erfüllt ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Jedoch sagt der Daishonin in der Gosho:

            Buddhaschaft ist am schwierigsten zu zeigen.

Die Buddhaschaft von innen her zu manifestieren ist schwierig. Diesen Lebenszustand zu erklären ist ebenfalls schwierig. Der 26. Hohepriester Nichikan Shonin sagt:

            Starker Glaube an das Lotos-Sutra wird Buddhaschaft genannt.

Daher ist die Entschlossenheit, der Wille und das Vertrauen, an den Gohonzon zu glauben, die Manifestation der Buddhaschaft. Es ist die Buddhaschaft selbst.

Dies ist der große, dem fruchtbaren, altruistischen Handeln des Bodhisattwa zugrundeliegende Lebenszustand, in dem man die Leiden der anderen als seine eigenen annimmt und allen Hindernissen trotzt, um ihnen bei der Änderung ihres Schicksals zu helfen. Es ist dieser wahre Buddhismus, der zeigt, wie man den Menschen dazu verhilft, ihre eigene Buddhaschaft aus sich hervorzurufen.

Ich glaube fest, daß der Weg zur Errettung einzig in der Großartigkeit der Bodhisattwa-Aus­übung liegt, der Ausübung, welcher der Lebenszustand des Buddhas zugrunde liegt. Dieser Weg macht es universell möglich, Menschen aus ihren Schwierigkeiten herauszuhelfen und einen Weg aus der Sackgasse zu finden, um diesen Planeten und seine Bewohner von der Geißel des Krieges zu befreien.

In der nächsten Vorlesung werden wir über den gegenseitigen Besitz der Zehn Welten sprechen, und wie dieser selbst den schlechtesten Menschen eigen ist.

 

TEIL II

Heute möchte über den gegenseitigen Besitz der Zehn Welten sprechen. Doch bevor ich beginne, möchte ich Euer Vertrauen erbitten, die Gesamtheit des menschlichen Lebens und all seiner Handlungen als Definition von ichinen sanzen zu akzeptieren. Ich bitte Euch darum, da ich nicht erwarte, daß Ihr dies schon »wißt« in dem Sinne, wie es beim Buddha der Fall ist. Warum erwarte ich nicht, daß Ihr es vollkommen versteht? Weil es sich bei ichinen sanzen um das tiefgründige, in seinem Wirken unergründliche Gesetz handelt, nicht nur in Bezug auf jeden Aspekt unseres Lebens, sondern auch den Gesamtaspekt allen Lebens im Universum. Der Buddha »kennt« dieses Gesetz als die Essenz seines Lebens und besitzt die aus diesem Gesetz stammende unbegrenzte Weisheit. Und dieser Weisheit entstammt seine Fähigkeit, alle Lebewesen zu lehren und zu erretten.

Wir müssen uns ein Gefühl der Bescheidenheit bewahren, und ich möchte Shakyamunis warnende Worte an seinen schlauesten Schüler Sharihotsu zitieren. Wir rezitierten sie heute abend und tun dies bei jeder Verrichtung des Gongyo. Im Hoben-Kapitel heißt es:

Sharihotsu, die Weisheit des Tathagata ist allumfassend und unergründlich. Seine Barmherzigkeit ist unermeßlich, und seine Lehre kennt keine Begrenzung. Ausgestattet mit Kraft, Furchtlosigkeit, Konzentration, Freiheit [von Karma und Begierden] und der Fähigkeit zu meditieren, weilt er im Grenzenlosen und erwacht zum nie zuvor erkannten Gesetz. Sharihotsu, der Thatagatha hat die Autorität, zu erkennen, welche der verschiedenen Lehren seiner Zuhörerschaft angemessen sind, und diese Lehren auf gekonnte Weise zu verkünden und die Herzen der Menschen mit warmen und liebevollen Worten zu erfreuen. Das heißt, Sharihotsu, der Buddha hat das unendliche, grenzenlose, unvergleichliche Gesetz erkannt.

Nun mögen uns einige dieser Attribute zu eigen sein, doch sicherlich nicht alle. Ist jemand hier bereits frei von Karma und Begierden? Jedoch läge ich falsch, würde ich Euch nicht herzlich ermutigen mit Worten aus den Schriften des Daishonin, der die verschiedenen Lehren kannte, doch nur die für den Späten Tag des Gesetzes angemessene Lehre kundtat.

In der Gosho Das Reisgeschenk heißt es:

Doch selbst gewöhnliche Sterbliche können die Buddhaschaft erlangen, wenn sie nur eines hegen: ernsthaften Glauben. Im tiefsten Sinne ist ernsthafter Glaube der Wille, den Geist des Sutra – nicht dessen Worte – zu verstehen und nach ihm zu leben. (Major Writings, Band 1, S. 268)

Nun möchte ich über den gegenseitigen Besitz der Zehn Welten zu Euch sprechen und warum die Ausübung zum Gohonzon der Weg zur Selbsterneuerung des Menschen ist, wodurch wiederum der Weltfrieden möglich wird. In seiner Gosho Das Öffnen der Augen sagt der Daishonin:

Die Konzeption von ichinen sanzen beginnt mit dem Verständnis des gegenseitigen Besitzes der Zehn Welten oder Existenzzustände. (Major Writings, Band 2, S. 80)

Dieses Prinzip, das von T’ien-t’ai formuliert wurde, gründet sich auf das Lotos-Sutra und besagt, daß jede der Zehn Welten das Potential für alle zehn in sich trägt. Dies ist die zweite Komponente des Prinzips von ichinen sanzen. Die erste Komponente bildet die Konzeption der Zehn Welten, die wir letztes Mal besprochen hatten. Die zweite Komponente, der wechselseitige Besitz der Zehn Welten, bedeutet, daß unsere Gedanken und Emotionen nicht in einer Welt fixiert sind, sondern zu jedem Zeitpunkt jede beliebige der Zehn Welten an den Tag legen können – von Hölle bis Buddhaschaft.

Diese Konzeption erklärt auch, daß jeder von uns zu einem oder mehreren der zehn Zustände tendiert, obwohl das Potential für alle zehn immerfort gegenwärtig ist. Beispielsweise mag jemand, dessen Gundtendenz des Lebens Hunger ist, zu irgendeinem Zeitpunkt Entzücken oder Bodhi­sattwa an den Tag legen, da sein Leben diese zwei der Zehn Welten besitzt. Zu einem gegebenen Zeitpunkt erscheint nur eine der Welten, während die anderen neun Welten latent sind. Aber die betrachtete Person wird immer zum Grundzustand des Hungers zurückkehren, und seine Lebenshandlungen kreisen folglich um diesen Zustand.

Ein weiteres Beispiel ist, daß jemand zu irgendeinem Zeitpunkt die Freude des Himmels erfahren mag, doch im nächsten Moment kann sich etwas in seinen Umständen ändern, und er wird in die Tiefen der Hölle geworfen. Das heißt jedoch nicht, daß die Welt des Himmels aufgehört hat zu existieren. Vielmehr bedeutet es, daß sie sich von einem Zustand, den wir bestätigen können, in einen latenten, potentiellen Zustand gewandelt hat. Bei einem geeigneten Einfluß aus der Umgebung wird er wieder hervortreten, und wir sehen die Person wieder glücklich und lächelnd – vorübergehend. Auf diese Weise werden die zehn Zustände von Hölle bis Buddhaschaft durch jemandes Verhältnis zu seiner äußeren Welt aktiviert, und wir können sie in uns selbst und anderen wahrnehmen, wie sie in Reaktion auf Änderungen in unserer Umgebung hervortreten. Weiterhin manifestieren sie sich sowohl in den physischen als auch spirituellen Aspekten aller Handlungen der Menschen.

Erinnert Euch bitte an shiki shin funi. Ein Mensch, dessen Geist und Gedanken in der Hölle sind, wird dies in seiner Erscheinung zeigen. Ein weiteres zu bedenkendes Prinzip ist esho funi. Der, dessen Geist und Körper in der Hölle sind, wird die Hölle in seiner Umgebung schaffen. Es kann nicht anders sein, wenn dies seine Grundtendenz ist, weil Körper und Geist nicht getrennt sind. Sie sind in einem Wesen vereint, und dieses Wesen kann von seiner Umgebung nicht getrennt sein. Die Umgebung ist eine Ausdehnung des menschlichen Wesens.

Ich hatte erwähnt, daß Nichiren Daishonin mit den durch die Schulen seiner Zeit vertretenen Glaubensrichtungen und den Sutras, auf denen sie basierten, vertraut war. Auch lernt Ihr alle, daß der historische Buddha Shakyamuni etwa 40 oder 42 Jahre lang vorläufige Lehren verkündete, bevor er die höchste buddhistische Lehre, das Lotos-Sutra, predigte. Schließlich werdet Ihr auch lernen, daß viele seiner Schüler bei dessen Verkündung die Versammlung verließen und fortfuhren, die Lehren aus der Zeit vor dem Lotos-Sutra auszuüben. Der Daishonin sagt, daß es sich, vom Lotos-Sutra abgesehen, bei allen anderen Sutras um Lehren handelt, die auszuüben falsch ist. Warum? In Das Öffnen der Augen sagt er:

Alle vorläufigen Sutras wie das Kegon, Hannya und Dainichi verhüllen nicht nur die Tatsache, daß Menschen in den beiden Bereichen von shomon [Lernen] und engaku [Erkenntnis] die Bud­dhaschaft erlangen können, sondern sie gehen auch darin fehl, klarzustellen, daß der Buddha die Erleuchtung vor zahllosen Äonen in der Vergangenheit erlangt hat Diese Sutras machen sich zweier Fehler schuldig. Weil sie erstens lehren, daß die zehn Welten der Existenz voneinander getrennt sind, vermögen sie nicht über die vorläufigen Lehren hinauszugehen und die Lehre von ichinen sanzen, wie sie in den theoretischen Kapiteln des Lotos-Sutra dargelegt wird, zu enthüllen. (Major Writings, Band 2, S. 103)

In Vasubandhus Kusha Ron heißt es, daß die Hölle 1000 yoyana unter der Erde existiert. Im Shonen-Sutra steht, daß die Welt des Hungers 500 yoyana unter der Erde liegt. Jene in der Welt der Animalität leben im Wasser, auf dem Land und in der Luft. Jene in der Welt des Menschseins wohnen auf der Erde, und die Wesen in Verzückung auf einem Berg usf. Doch der Alltag zeigt uns, daß Hölle, Hunger, Animalität, Ärger, Entzücken und Menschsein in diesem Augenblick die Straße herunterkommen.

In der Mushimoshi-Gosho (»Neujahrs-Gosho«) schreibt der Daishonin:

Zuerst zur Frage, wo genau die Hölle und der Buddha existieren, so führt ein Sutra aus, daß die Hölle unter der Erde liege, und ein anderes Sutra sagt, daß der Buddha im Westen sei. Sorgfältige Überlegung hingegen läßt erkennen, daß beide in unserem fünf Fuß großen Körper existieren. Der Grund für meine Sicht ist der, daß die Hölle im Herzen eines Menschen ist, der seinen Vater innerlich verachtet und seine Mutter geringschätzt. ... Du magst fragen, wie der Buddha in uns wohnen kann, wo doch unser Körper vom Sperma und Blut unserer Eltern stammt ... Wiederholte Überlegung zeigt jedoch die Gültigkeit meiner Behauptung. Die reine Lotos-Blume erblüht aus dem schlammigen Grund des Teiches, der duftende Sandelholzbaum erwächst aus der Erde, die graziösen Kirschblüten treten aus dem Holz hervor, die wunderschöne Yang Kuei-fei wurde von einem Dienstmädchen geboren, und der Mond erhebt sich hinter den Bergen, um Licht auf sie zu werfen. (Major Writings, Band 1, S. 271-272)

Das Lotos-Sutra lehrt, daß Menschen des Lernens und der Erkenntnis, Frauen, böse Menschen, praktisch jeder, die Erleuchtung erlangen kann. Im Gegensatz hierzu ermangelt es allen übrigen Sutras hieran. In ihnen ist die Gleichheit aller Menschen hinsichtlich der Erlangung der Buddhaschaft nicht vorgesehen. Doch wurde der Dai-Gohonzon begründet, der seine Barmherzigkeit auf alle, die ihn annehmen, abstrahlt und auf diese Weise unsere Erleuchtung sicherstellt.

Ihr kennt das Christentum, den Islam und das Judentum wahrscheinlich besser als ich, weshalb Ihr auch größere Ähnlichkeiten dieser Religionen zu den Lehren vor dem Lotos-Sutra sehen möget. Daher könnt Ihr verstehen, warum der Buddhismus der Nichiren-Shoshu alle Lehren, außer der wahren Lehre des Lotos-Sutra, als vorläufig betrachtet. Aber ich möchte Euch warnen. Jegliche Religion sucht eine grundlegende Moral zu etablieren, durch die Ordnung in die Gesellschaft gebracht werden kann. In den Lehren des Hinayana-Buddhismus und anderen Religionen existieren zahlreiche Verbote, um den Menschen zu sagen, was sie nicht tun sollten, um keine schlechten Ursachen zu setzen. Es handelt sich nicht notwendigerweise um »schlechte« Lehren.

Im Öffnen der Augen zitiert der Daishonin das Nirvana-Sutra. Er sagt:

Das Nirvana-Sutra bemerkt: »Alle Schriften und Lehren, aus welcher Quelle auch immer, sind letztendlich die Offenbarung buddhistischer Wahrheit. Es sind keine nichtbuddhistischen Lehren.« (Major Writings, Band 2, S. 77)

In derselben Gosho zitiert er T’ien-t’ai:

Im Konkomyo-Sutra ist aufgezeichnet: »All die guten Lehren, die in der Welt existieren, entstammen diesem Sutra. Tiefgründiges Wissen dieser Welt zu besitzen, ist an sich Buddhismus«. (Major Writings, Band 2, S. 75)

Doch obschon diese Lehren als »Offenbarung buddhistischer Weisheit« betrachtet werden können, enthüllen sie nicht die höchste Wahrheit des Buddhismus. Des weiteren sind sie darin gescheitert, Frieden herbeizuführen. Weder erhellen sie die angeborene Buddhaschaft, die alle Wesen und alle Phänomene besitzen (ichinen sanzen – »3000 Welten in einem augenblicklichen Zustand der Existenz«), noch lehren sie, wie ein grundlegender Lebenszustand aufrechterhalten werden kann, der sich auf alle Menschen erstreckt.

Bitte erinnert Euch, daß ich sagte, daß »die Zehn Welten auf Ereignisse und Dinge in unserer Umgebung hin reagieren«. Wenn Ihr den Gohonzon annehmt, nehmt Ihr das Wesen des Gesetzes als ichinen sanzen und den Buddha in Eurer Umgebung an. Der gegenseitige Besitz der Zehn Welten ist im Gohonzon eingeschrieben. Daher existiert der Gohonzon in Umgebungen, die höllisch sind oder von Ärger, Animalität, Hunger, Ruhe, vorübergehendem Entzücken erfüllt, und ebenso in den arroganten Welten des Lernens und der Erkenntnis. Dies ist so, weil er die Gegenwärtigkeit der Buddhaschaft in allen diesen Welten anerkennt. Den Gohonzon in einer dieser Umgebungen anzunehmen ist das Annehmen das Objektes, welches die Buddhaschaft als Grundtendenz des Lebens festlegt und fördert.

Es verbleibt keine Zeit, zu erörtern, wie man seine menschliche Reformierung angeht. Aber ich möchte Euch die Geschichte von der Frau in Erinnerung rufen, die nicht wußte, daß sie einen mit Gold gefüllten Keller besaß. Zuerst mußte man ihr davon erzählen. Weiterhin mußte sie kräftig und beharrlich die Erde ausheben, um an das Verborgene zu gelangen. Dann war sie in der Lage, das Gold zu finden und durch dessen Gebrauch ihr Alltagsleben zu verbessern. Auf gleiche Weise müssen wir mit der Reformierung unseres eigenen Lebens beginnen. Uns muß gesagt werden, daß wir eine Buddhanatur besitzen. Und wenn wir den Weltfrieden Wirklichkeit werden lassen wollen, müssen wir anderen sagen, daß sie ebenfalls dieses Potential besitzen. Dann müssen wir sie leidenschaftlich und beständig lehren, wie sie sich gleichsam Glaube, Ausübung und Studium widmen sollten. Diesen Weg müssen wir mutig praktizieren, bis die Buddhaschaft als Grundtendenz unseres Lebens etabliert ist.

Möglicherweise denkt Ihr jetzt, »Vielleicht will ich kein Buddha sein. Das klingt alles ziemlich selt­sam.«

Die bedeutendste Implikation von ichinen sanzen aber ist die, sich daran zu erinnern und zu verstehen, daß alle gewöhnlichen Sterblichen der neun Welten das Potential zur Buddhaschaft besitzen, und daß ein Buddha die niederen neun Welten behält und von gewöhnlichen Sterblichen nicht getrennt ist. So werdet Ihr weiterhin in diesen Welten leben, doch mit einem Unterschied. Ihr werdet Entzücken und Hölle erfahren, doch qualitativ anders. Ihr werdet die niederen Welten manifestieren, aber nicht länger von ihnen beherrscht werden. Die Dinge, die Euch wütend machen und nach denen Ihr dürstet, werden auf höherer Ebene liegen. Ihr werdet besser aussehen, Euch besser fühlen und darum wissen, zuerst zum Gohonzon zu chanten, um die nötige Weisheit zu erlangen, Euren niederen Welten und allen Hindernissen zum Glück entgegenzutreten.

 

TEIL III

Heute hoffe ich die Erörterung der Erkenntnis des Buddhas über das Leben zu Ende bringen zu können. Seid gewarnt. Als der Buddha Shariputra seine Erleuchtung predigte, sagte er:

Was der Buddha verwirklicht hat, ist das seltenste und am schwierigsten zu begreifende Gesetz. Das wahre Wesen aller Phänomene zu verstehen und an ihm teilzuhaben, ist nur Buddhas gegeben.

»Alle Phänomene« weist auf die wechselnden Manifestationen des Lebens hin, die allgemein in die Zehn Welten eingeteilt werden können, während das »wahre Wesen« der grundlegende Aspekt ist. Dieses wahre Wesen aller Phänomene ist derart schwierig zu begreifen, daß selbst Shariputra, der als führender im Lernen bekannt ist, es nicht zu erfassen vermochte.

Im Hoben-Kapitel heißt es:

Diese Wirklichkeit besteht aus Erscheinung, Natur, Wesen, Kraft, Einfluß, innerer Ursache, Beziehung, latenter Wirkung, sichtbarer Wirkung und Übereinstimmung von Anfang bis Ende.

Wir bestätigen diese Wirklichkeit jedesmal beim Gongyo, wenn wir das Ende des Hoben-Teils rezitieren:

Nyo ze so. Nyo ze sho. Nyo ze tai. Nyo ze riki. Nyo ze sa. Nyo ze in. Nyo ze en. Nyo ze ka. Nyo ze ho. Nyo ze honmak◠kukyo to.

Was bedeutet dies?

Wir haben die Zehn Welten – die grundlegenden Lebenszustände – studiert, und auch deren gegenseitigen Besitz. So weit haben wir einhundert von 3000 Welten sondiert.

Beständig ändert sich unser Leben, und das Potential zur Erleuchtung haben wir ungeachtet unseres gegenwärtigen Lebenszustands. Aber wir besitzen auch die zehn Faktoren, eine weitere Komponente des Lebens.

Vielleicht ist es hilfreich, wenn Ihr an die Konzeption des Einsseins von Mensch mit seiner Umgebung (esho funi) und die des Einsseins von Körper und Geist (shiki shin funi) denkt. Beide dieser Konzeptionen weisen eine Beziehung zu den Faktoren auf. Die letztere Konzeption besagt, daß Körper und Geist eines lebenden Wesens sich zu menschlichem Leben vereinen; es sind »zwei, aber nicht zwei«. Wie Ihr wißt, ist beim Tod des Gehirns, das die Lebensfunktionen entstehen läßt, auch der Körper tot. Geist und Körper zu besitzen bedeutet, ein lebendes Wesen zu sein.

Die zehn Faktoren in T’ien-t’ais Theorie von ichinen sanzen verleihen der Vorstellung des Einsseins von Körper und Geist weiteres Gewicht. Diese zehn Faktoren sind das Leben selbst. Jeder von uns, und dies gilt tatsächlich für jegliches Leben, hat eine einzigartige physische Gestalt. So ist der erste Faktor, den alles Leben besitzt, Erscheinung oder nyo ze so.

Der zweite ist Natur. Jegliches Leben hat seine spirituelle Qualität. Bei menschlichen Wesen bezieht sich das auf unseren bewußten Geist. Unsere inneren Gedankengänge lassen die Art von Lebenskraft sich entfalten, über die wir verfügen. So ist der zweite Faktor nyo se sho.

Erscheinung und Form bzw. Körper und Geist gemeinsam liefern uns den dritten Faktor, Wesen oder nyo se tai. Im Augenblick ist jeder von uns ein lebendes Wesen mit einem physischen und einem spirituellen Aspekt. Und mit dieser Kombination geht Kraft einher.

Kraft bedeutet die Fähigkeit, etwas zu bewegen, aufzubauen und zustande zu bringen. Es handelt sich um die allem Leben innewohnende Energie. Kraft oder nyo ze riki ist der vierte Faktor.

Mit Kraft kommt Einfluß, nyo ze sa, der fünfte der zehn Faktoren. Dies bedarf nicht allzu ausführlicher Erläuterung. Als Eltern agieren wir, und unser Einfluß ist in unserer Familie und den Kindern sichtbar; als Arbeitnehmer im Beruf schaffen wir etwas und bringen etwas zustande, und unser Einfluß in diesem Bereich wird wahrgenommen. Doch was wir als Eltern, als Angestellte, als Menschen vollbringen, ist nicht gleich. Einige schaffen sehr gute Resultate, andere nicht. Warum?

Erinnert Euch an unsere Erörterung der Zehn Welten – der grundlegenden Lebenszustände – in den vorangegangenen zwei Vorlesungen. Wenn wir dies zu den Faktoren Kraft und Einfluß in Beziehung setzen, können wir in der Tat unsere grundlegende Lebenstendenz sehen. Das Gewahrwerden dieser Grundtendenz (mit anderen Worten, in welcher Welt wir uns befinden) hilft uns, die Frage zu beantworten, »Was veranlaßt ihn oder mich, auf diese Art und Weise durch’s Leben zu gehen?« Befinden wir uns in einer der höheren Welten, sind die Faktoren Kraft und Einfluß wohltuend. Befinden wir uns in einer der niederen Welten, fügen diese beiden Faktoren uns und anderen Schaden zu.

Der sechste der zehn Faktoren ist innere Ursache oder nyo ze in. Dies hatten wir kurz angerissen, als wir die Frage stellten, »Was veranlaßt ihn oder mich, auf diese Art und Weise durch’s Leben zu gehen?« Die Ursache liegt tief in unserem Leben, wo sie von uns eingepflanzt wurde. Wir wissen um diese innere Ursache als Karma.

Der Buddhismus vertritt, daß das Leben ewig ist. Während dieses Lebens und zuvor etlicher weiterer hatten wir die Kraft, Ursachen zu setzen. Als wir vormals unseren physischen Körper hatten aufgeben müssen, hatte sich unser Schicksal für künftige Leben bereits in unser ewiges Selbst eingeprägt. Unsere vergangenen Taten bestimmen den Entwurf für unser nächstes Leben, und so hatten wir die Umgebungsbedingungen, unter denen wir einmal geboren werden sollten, bereits in Kraft gesetzt.

Der siebte Faktor ist Beziehung oder nyo ze en. Zuweilen wird er als äußere Ursache bezeichnet. Es handelt sich um das Bindeglied der Umgebung zwischen uns und den Dingen außerhalb unserer selbst, auf die wir reagieren. In diesem riesigen Feld stellen sich zahllose Situationen ein, die das Resultat von Karma sind. Wir reagieren und schaffen so weiteres Karma, sowohl gutes als auch schlechtes. Das Ergebnis ist, daß wir erneut tief in unser Leben den achten Faktor einlagern – latente Wirkung oder nyo ze ka.

Wie wir leben, erzeugen sogar unsere Gedanken eine Wirkung. Das Gute und Böse unseres Geistes pflanzt die latente Wirkung tief in unser Leben ein, die schließlich als manifeste Wirkung in Erscheinung tritt. Diese sichtbare Wirkung oder nyo ze ho ist der neunte der zehn Faktoren. Er tritt mit dem Verstreichen der Zeit aus unserem Leben an dessen Oberfläche hervor. Dies ist das Resultat von innerer Ursache und latenter Wirkung, die wir zur selben Zeit geschaffen hatten, und die nun unser Karma wird.

Der zehnte Faktor ist Übereinstimmung von Anfang bis Ende oder nyo ze honmak◠kukyo to. Seine Bedeutung liegt darin, daß Leben auf übereinstimmende Weise in diesem Zyklus existiert, in Erscheinung tritt und verläuft. Es beginnt mit Erscheinung und endet mit sichtbarer Wirkung. Diese zehn Faktoren sind zu jedem Zeitpunkt in einem einzelnen Gebilde vereint.

Wenn Ihr dabei die Konzeption von esho funi bedenkt, könnt ihr sehen, daß T’ien-tai sehr tief in die Beziehung zwischen Mensch und seiner Umgebung vordringt. Diese Beziehung wird auch durch innere Ursache und sichtbare Wirkung bzw. unser Karma bestimmt.

Mit dieser Erörterung der zehn Faktoren sind wir jetzt bei insgesamt 1000 Bereichen von ichinen sanzen angelangt. Wir haben die Zehn Welten, ihren gegenseitigen Besitz und die zehn Faktoren erörtert. Es verbleiben lediglich drei weitere Bereiche, die bei Multiplikation mit den uns vertrauten 1000 zu ichinen sanzen oder den 3000 Welten in einem momentanen Zustand der Existenz führen. So werde ich auch auf diese letzte Komponente kurz eingehen.

Der erste Bereich wird als go-on oder der Bereich der fünf Bestandteile bezeichnet. »Wesen« wird hier von T’ien-t’ai sogar noch genauer definiert. Dieser Bereich schließt zuerst einmal den Körper und all seine Organe ein. Dies wird shiki genannt. Auch umfaßt er den Geist und all seine Funktionen: Wahrnehmung oder ju, Begriffsvermögen oder so, Wollen oder Wille, gyo genannt, und schließlich shiki, das die Gesamtheit unseres Bewußtseins bedeutet.

Der zweite Bereich ist der der Gesellschaft, in der wir als Individuen in Beziehung zu anderen leben. Jeder dieser Bereiche besitzt eine Grundtendenz des Lebens, die Zehn Welten und ihren gegenseitigen Besitz und die zehn Faktoren.

Der dritte Bereich ist die Umgebung, die alle von uns gemeinsam schaffen, und die wiederum unser Dasein stützt.

Vielleicht seid Ihr jetzt darauf gekommen, daß, um ichinen sanzen verstehen wollen, wir mit einer Betrachtung unseres eigenen Lebens beginnen können. Ich glaube, daß wir zu gleichen Antworten gelangen würden, ob wir nun uns selbst beobachten oder die Gesamtheit aller Phänomene im Universum zu verstehen suchen.

Vielleicht erscheint T’ien-t’ais Erläuterung von ichinen sanzen ein wenig kalt. Sie sagt nichts darüber aus, wie wir erleuchtet werden, um absolut glücklich werden zu können. Doch ist der Geist rastlos und unnachgiebig. Wenn es möglich ist, zu wissen, was der Buddha erkannt hat, wollen wir dies auch wissen. Wo können wir die Antwort finden? Der Daishonin sagt, man soll auf das neunte Bewußtsein bauen. Es geht tiefer als Wahrnehmung, Begriffsvermögen und Wollen. Es handelt sich um die fundamentale Kraft, die die Essenz unseres Lebens ist.

Im Buddhismus Nichiren Daishonins enthüllen die zehn Faktoren den Dai-Gohonzon, der die tiefgründige Doktrin von ichinen sanzen verkörpert. So können wir durch Glaube an den Gohonzon und Ausübung zu ihm die Kraft des Buddhas erlangen, um unser Leben dem des Buddhas gleich zu machen. Diese Hauptursache durchtrennt die Bande des Karmas, das unsere Existenz und Umgebung zuvor festgelegt hat.

Mit anderen Worten, wenn wir unseren Glauben auf die unveränderliche Realität des Gesetzes gründen durch unseren Glauben und unsere Ausübung zum Gohonzon, beginnt unser Leben seine höchste Qualität – Erleuchtung – zu zeigen. Wenn diese höchste Qualität hervortritt, werden Körper und Geist, Kraft und Einfluß gereinigt, und Buddhaschaft wird zur inneren Ursache, latenten und schließlich manifesten Wirkung. Es braucht Zeit und Anstrengung. Aber der Buddhismus verspricht das absolute Glück eines erleuchteten Lebens. Dies wird durch den Gohonzon möglich.

Drei Jahre und sechs Monate sind vergangen, seit ich Reverend Kudo als Oberpriester des Myohoji-Tempels auf Weisung des Hohenpriesters Nikken Shonin abgelöst habe. Während dieser Jahre tat ich mein bestes, den Gohonzon des Myohoji-Tempels zu schützen, und mit meiner begrenzten Kraft hielt ich Zeremonien ab. Es war mein Glück, mich auf die volle Mitarbeit aller Mitglieder stützen zu können. Und meine geringen Bemühungen lassen sich nicht mit den Euren vergleichen. Doch durch Eure Mitwirkung war ich in der Lage, meine Verpflichtungen als Priester zu erfüllen. So möchte ich die Gelegenheit nutzen, Euch allen für Eure herzliche Unterstützung zu danken. Weiterhin habe ich fest vor, die Verbreitung des Buddhismus des Daishonin nach besten Kräften fortzuführen.

Wie Ihr wißt, dient das auf der Gosho fußende Studium dazu, Euren Glauben an den Gohonzon zu vertiefen. Es ist äußerst wichtig, daß wir zu einem korrekten Verständnis vom Glauben und einer praxisnahen Sicht der Ausübung gelangen. Ohne bud­dhistisches Grundwissen ist es schwierig, Nichiren Daishonins Buddhismus zu verstehen. Selbst wenn Ihr den Buddhismus der Nichiren Shoshu ausübt, gibt es Zeiten, in denen Ihr in einen Zustand der Stagnation geratet. Ihr könnt diese Schwierigkeiten lösen, indem Ihr Unterweisung und Rat einholt. Wenn Ihr dem Pfad von Nichiren Daishonins Rat folgt, wird die große Kraft des mystischen Gesetzes sich in Eurem Leben manifestieren, und Ihr werdet imstande sein, jegliche Schwierigkeit zu überwinden. So ist Studium unabdingbar, um die weltweite Verbreitung zu leisten. Andere werden den Buddhismus des Daishonin durch unsere Worte verstehen lernen, wenn diese auf unserem Einblick in die Prinzipien des Buddhismus fußen. So hoffe ich, daß Ihr ernsthaft studiert. Mein Rat ist, daß Ihr es nicht aufschiebt. Je länger Ihr es hinausschiebt, um so weniger seid ihr geneigt es zu tun.

Vielen Dank.