Die mündliche esoterische Überlieferung, wie Pflanzen, Bäume und die Umgebung ihre innewohnende Buddhanatur manifestieren

Sômoku Jô Butsu Kuketsu

Goshô Shimpen, Seite 522–523

Es wird gefragt: Wie hat man das Manifestieren der den Pflanzen und Bäumen innewohnenden Buddhanatur auf lebende Wesen und das Empfindungslose zu beziehen? Es wird geantwortet: Daß Pflanzen und Bäume ihre innewohnende Buddhanatur manifestieren, bedeutet, daß die empfindungslosen Dinge ebenfalls mit der Buddhanatur ausgestattet und somit an sich Buddhas sind. Es wird die Frage gestellt: Sind im Sutra der Dharmablume sowohl fühlende Wesen als auch das Empfindungslose dazu befähigt, ihre innewohnende Buddhanatur zu offenbaren? Es wird geantwortet: Durchaus. Dann wird gefragt: Welchen textlichen Beweis haben Sie? Es wird geantwortet: Es ist Myôhô renge kyô, das Sutra der Lotosblume der Allheit des Dharma [das Sutra, das zusammengesetzt ist aus vertikalen Fäden, welche die Bereiche bilden, in denen das Dasein sich abspielt, und in die das Filament der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung eingewoben ist, was durch die Lotosblume als Gesamtheit des Daseins symbolisiert wird]. Die Allheit des Dharma bedeutet, daß fühlende Wesen ihre innewohnende Buddhanatur öffnen können, während die Bedeutung der Lotosblume, welche die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung symbolisiert, darin liegt, daß ebenso die Vegetation, nichtfühlende Objekte und die Umgebung ihre innewohnende Buddhanatur manifestieren können. Das Empfindende steht für alles Lebendige, das seine innewohnende Buddhanatur öffnen kann. Das Empfindungslose impliziert, daß alles Unbelebte seine innewohnende Buddhanatur manifestieren kann. Worauf als Manifestierung der innewohnenden Buddhanatur im Leben und im Tod Bezug genommen wird, ist das Öffnen der Buddhanatur von Belebtem und Unbelebtem. Es ist aus diesem Grund, daß, wenn ein Mensch stirbt, ein Stupa errichtet und in einem zeremoniösen Akt das Darreichen von Nahrung als auch das Zeremoniell des Öffnens der Augen von Bildnissen des Buddhas abgehalten wird. Dies bedeutet, daß, wenn die Toten ihre Buddhanatur manifestieren, es gleichsam mit Pflanzen, Bäumen und der Umgebung so sein muß. Im ersten Faszikel des Ganzheitlichen Ablassens von störenden Sorgen zur ungetrübten Schau heißt es: „Jegliche Materialität, die eine Farbe aufweist und somit eine Form besitzt, und selbst ein Duft, den man wahrnehmen, aber nicht sehen kann, zählt zum mittleren Weg, welcher Relativität und Phänomen umspannt.“ Myôraku sagt, „Wenn Menschen auch zugestehen mögen, daß Materialität, Farben und Düfte die Realität des mittleren Weg sind, ist bei der Vorstellung, daß Pflanzen und Dinge, die unbelebt sind, ebenso die Buddhanatur besitzen, ihr Ohr verdutzt und ihrem Verstand ein Rätsel aufgegeben.“ Um welche von den fünf Farben handelt es sich nun bei der einzelne Farbe? Die fünf Farben blau, gelb, rot, weiß und schwarz werden eine jede für sich als einzelne Farbe erkannt, doch handelt es sich bei ihrer Einzelheit um die Dharmanatur, die von Myôraku hier erläutert wird als der mittlere Weg zwischen Relativität und Phänomen [oder dem brückengleichen Augenblick zwischen der äußeren Erscheinung einer Sache und der Erkenntnis, was sie ist]. Der Universallehrer Tendai sagt auch, daß es nichts gibt, das nicht der mittlere Weg ist. Die Einzelheit der einzelnen Farbe oder des einzelnen Duftes ist nicht die im Gegensatz zur Zahl zwei oder drei stehende Einzigartigkeit, sondern deutet auf das Einssein des mittleren Weges der Dharmanatur. In letztendlicher Analyse gibt es nichts, das nicht mit den zehn Bereichen von Dharmas und den dreitausend existentiellen Räumen ausgestattet wäre. Was dies bedeutet, ist, daß jegliche Materialiät, seine Farben, Düfte usw. ihre Buddhanatur manifestieren können. Wenn wir dann das Wort „Lotosblume“ durch Farbe und Duft ersetzten, wären es immer noch Pflanzen, Bäume und die Umgebung, die ihre Buddhanatur manifestieren. In der esoterischen mündlichen Überlieferung heißt es, „Sowohl Pflanzen als auch Bäume können Buddhas werden, indem sie ihre innewohnende Buddhanatur manifestieren.“ Dies bedeutet, daß sie durch das Manifestieren ihrer innewohnenden Buddhanatur zum Shakyamuni des Kapitels über die Lebensdauer des Tathâgata werden können [welches das Grundlegende Objekt der Verehrung ist]. Im Sutra der Dharmablume bezieht sich dies auf das Ausmaß der Reichweite des Geistes des Tathâgata. Es heißt, daß der Bereich des Dharmas allein es ist, welcher die Verkörperung des Tathâgata Shakyamuni [der primordialen Unendlichkeit] sein kann. Die Enthüllung des Prinzips des ursprünglichen Terrains als das endgültig Unübertreffliche bedeutet, daß es parallel zu dieser primordialen Unendlichkeit zahllose Lebewesen gibt, die aufgrund ihrer Nichterleuchtung endloses Leid im Traum von Leben und Sterben erleiden. Dies wird bezeichnet als das Prinzip der realen Soheit, die essentiell unveränderlich ist und zum vorübergehenden Tor gehört. Aber ein Tor zum Dharma, welches in Zeit und Raum sich entfaltet, impliziert Unbeständigkeit und schließt folglich den Tod in sich ein. Unter praktischen Aspekten ist die ursprüngliche Quelle der Enthüllung des ursprünglichen Terrains ihre im Zeitlichen allgegenwärtige Unendlichkeit. [So wie es auch bei der ein einheitliches Ganzes bildenden These von der dreifachen Allheit der Fall ist: 1) Die Allheit der ursprünglichen Ursache, zu deren Erläuterung Myôraku sich auf folgenden Satz aus dem Kapitel über die Lebensdauer des Tathâgata stützt: „Seit ich ursprünglich den Weg eines Bodhisattwa ausübte“ bezieht sich auf eine Zeit ohne intermediären Raum; es ist der Weg, bevor (Shakyamuni) ein Buddha wurde, und indem dieser Weg einen Namen bekam, wurde er zum Ursprung. Die Allheit der ursprünglichen Ursache ist das Rezitieren des Titels und Themas des ursprünglichen Tores. 2) Die Allheit der ursprünglichen Erfüllung erläutert Myôraku ebenfalls vom Kapitel über die Lebensdauer des Tathâgata her: „Seit ich ein Buddha wurde in jener äußerst extremen Entferntheit im primordial Unendlichen“ ist Beweis dafür, daß der Buddha seit jeher erleuchtet ist. Konkret gesprochen ist die Allheit der ursprünglichen Erfüllung das Grundlegende Objekt der Verehrung des ursprünglichen Tores. 3) Die Allheit der ursprünglichen Behausung und des Terrains erläutert Myôraku abermals anhand des Kapitels über die Lebensdauer des Tathâgata: „Seither weilte ich in diesem Bereich des Daseins, der erduldet werden muß, und verkündete das Dharma und bekehrte andere.“ Dies deutet auf die Konzeption hin, daß, gleich welcher Bereich von Dasein es sein mag, immer auch der Buddha dort zugegen ist. Wieder konkret gesprochen handelt es sich bei der Allheit der ursprünglichen Behausung und des Terrains um den Altar der Vorschrift des ursprünglichen Tores.] Unter praktischen Aspekten wird auf diese Enthüllung des ursprünglichen Terrains Bezug genommen als das Elementare des Lebens und auch als die Lotosblume, welche die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung repräsentiert. Durch ihren Bezug zur Endlichkeit und zum Tod waltet die Enthüllung des Prinzips des ursprünglichen Terrains über dem Fühlenden. Unter praktischen Gesichtspunkten hingegen waltet die Enthüllung des ursprünglichen Terrains durch ihren Bezug zum Elementaren des Lebens über dem Nichtempfindenden. Worauf lebende Wesen wie wir angewiesen sind, ist die Lotosblume, welche unbelebt ist und dazu dient, die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung zu repräsentieren. So lassen der Klang, die Stimme, die Sprache und die Worte von lebenden Wesen wie wir in unserer Eigenschaft als lebendig Seiende die Allheit des Dharma lebendig werden. Unser Körper ist gleichsam mit Belebtem und Unbelebtem ausgestattet. Unsere Haare und Nägel sind empfindungslos, und es schmerzt nicht, wenn sie geschnitten werden. Doch der Rest unseres Körpers hat Empfindung, und so verursacht es Schmerz und Leid, wenn dieser einen Schnitt erfährt. Ferner ist unser mit Empfindung und Nichtempfindung versehene Körper mit den zwei Dharmas von Ursache und Erfüllung der zehn Soheiten ausgestattet. Diese drei existentiellen Räume von 1) dem existentiellen Raum fühlender Wesen, 2) dem existentiellen Raum der fünf Ansammlungen und 3) dem existentiellen Raum von Behausung und Terrain sind dem Belebten als auch dem Unbelebten gemein. Es ist das Mandala, welches in das Dharmator des dreitausend existentielle Räume umfassenden einen Gedanken des Augenblicks eingeformt ist und selbiges durchtränkt, welches unseren zeitgenössischen Gelehrten mit ihrem Mangel an Gelehrtheit nicht einmal im Traum erscheint. Tendai, Myôraku und Dengyô verstanden diese Lehre, aber sie propagierten sie nicht. Indem sie sie nicht besonders betonten, spielten sie die Bedeutung der Doktrin von der einzelnen Farbe und dem einzelnen Duft herunter und raunten, daß dies die Ohren der den provisorischen Lehren Verhafteten nur verwirren und ihren Geist zerrütten würde. Statt dessen verfochten sie, daß die Menschen am Sutra der Lotosblume der Allheit des Dharma mit seiner allumfänglichen und direkten Meditation über das Ablassen von störenden Sorgen zur ungetrübten Schau festhalten sollten. Das Manifestieren der Buddhanatur von Pflanzen und Bäumen läßt also darauf schließen, daß die, die gestorben sind, ebenfalls ihre Buddhanatur manifestieren können. Diese Tore zum Dharma sind nur wenigen Menschen bekannt. Worauf dies hinausläuft, ist, daß durch Unkenntnis der Implikationen des Sutra der Dharmablume andere Tore zum Dharma irreführend werden können. Wegen alldem dürfen diese Lehren nicht in Vergessenheit geraten oder verloren gehen. Mit äußerster Hochachtung und Respekt.

Nichiren (formelle Unterschrift)

Der zwanzigste Tag im zweiten Monat [1272]

Eine Antwort an den ehrwürdigen Sairen